Leidenschaftlicher Einsatz für Demokratie: 135 Jahre SPD an der Ennepe

Veröffentlicht am 04.11.2013 in Ortsverein

Der heimische Journalist und Autor Hans Hermann Pöpsel arbeitet zum SPD-Jubiläum die Geschichte der SPD an der Ennepe auf

 

150 Jahre SPD in Deutschland, 135 Jahre in Voerde: Der heimische Journalist und Historiker Hans Hermann Pöpsel beschrieb in einer bemerkenswerten Rede beim Jubiläumsfest der SPD Ennepetal das Werden und Leiden der Sozialdemokratie an der Ennepe. Er geht davon aus, dass Pfingsten 1865 beim ersten „Hagener Arbeitertag“ auch Arbeiter aus dem Gebiet der heutigen Stadt Ennepetal teilnahmen.
Vor 135 Jahren in Voerde

Zwei Jahre später, bei den Wahlen zum Norddeutschen Bund 1867, bekam im Amt Ennepe der Arzt Dr. Reinke als Kandidat des Deutschen Arbeitervereins nur sieben Stimmen, in Schwelm sogar nur eine, aber im kleinen Breckerfeld 13 Stimmen, fand Pöpsel heraus.

Vor nunmehr 135 Jahren hätten sich in Voerde erstmals Sozialdemokraten bemerkbar gemacht, und das in einer dramatischen Situation. Hans Hermann Pöpsel: „Es war im Mai und Juni jenes Jahres zu Attentaten auf den Kaiser gekommen, und das nutzte Reichskanzler Bismarck zu wüsten Angriffen auf die Sozialdemokratie.“ Fabrikanten hätten deshalb jene Arbeiter entlassen, die „sozialdemokratischer Umtriebe“ verdächtigt wurden. Es kam noch schlimmer. Der Voerder Gärtner und Sozialdemokrat Wiegandt, der wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden war, wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seine Straftat: Wie viele andere hatte er gesagt: „Der Kaiser bekommt zuviel Gehalt, er soll mehr arbeiten und weniger verdienen.“

Wie Pöpsel in historischen Quellen aus dem Jahre 1892 fand, beobachtete die politische Polizei alle sozialdemokratischen Versammlungen und verfasste darüber geheime Berichte für die Regierung.

Hans Hermann Pöpsel ging in seinem Vortrag auch auf heimische Persönlichkeiten ein. So wurde Gustav Bohm 1904 SPD-Mitglied und gehörte zu den Gründern des damaligen Ortsvereins Voerde. 1908 wurde Bohm als erster Sozialdemokrat in den Voerder Gemeinderat gewählt. 1910 nahm er sogar als Delegierter am SPD-Reichsparteitag in Magdeburg teil. Bohm landete auch auf einer „schwarzen Liste“ der Arbeitgeber und fand jahrelang keine Arbeit, bis er 1912 Lagerverwalter der SPD-nahen Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ in Voerde wurde, die sich laut Pöpsel in dem Haus befand, in dem heute Del Longo Eis verkauft.

Unter den Nazis wurde Gustav Bohm von der Gestapo verhaftet, doch kam er wegen seines Alters bald wieder frei. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Milsper Julius Bangert. Er war der erste SPD-Gemeindevertreter in Milspe, auch er wurde von den Nazis inhaftiert.
 

Pöpsel fand heraus, dass bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 die NSDAP in Milspe – gegen ihre Erwartungen – nur 37 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Um die absolute Mehrheit zu erreichen, wurden kurzerhand die sieben gewählten KPD-Gemeinderatsmitglieder ausgeschlossen. Pöpsel: „Die NSDAP-Fraktion hatte nun die absolute Mehrheit und erschien zur ersten Sitzung in den braunen Hemden, einer trug sogar die SS-Uniform, und Hakenkreuzfahnen schmückten den Saal in der Harkortschule.“

Gustav Bohm und Julius Bangert gehörten nach dem Krieg zu den Gründungsvätern im ersten Stadtrat der Stadt Ennepetal.


Nazis erschossen Peter Alfs

Schlimmer als den Beiden erging es ihrem Parteifreund, dem Gewerkschaftsfunktionär Peter Alfs. Pöpsel recherchierte: „Alfs kam zunächst in der berüchtigten Steinwache Dortmund in ,Schutzhaft’. Nach seiner Freilassung eröffnete er in der Voerder Straße in Milspe einen Tabakladen, der zu einem Treffpunkt der NS-Gegner wurde. 1938 wurde Peter Alfs erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Während des sogenannten Todesmarschs 1945 aus dem KZ in Richtung Norden wurde Peter Alfs in einem Wald bei Brelow zusammen mit anderen kranken Gefangenen erschossen. An Alfs erinnert nur eine kleine Straße auf Homberge.“ (Im Rathaus hängt ein Portrait von Peter Alfs - die Red.) Das Unrechtsurteil gegen ihn wurde übrigens erst im Jahre 1955 offiziell aufgehoben.

„Sie (Bohm, Bangert und Alfs) und tausende andere Sozialdemokraten erinnern uns daran, dass alle freiheitsliebenden Bürger immer wieder für die Demokratie kämpfen müssen“, schloss Pöpsel seinen Vortrag. „Es lohnt sich sehr, denn wir haben nichts Besseres!“

Hans-Jochem Schulte, Westfälische Rundschau

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