Kommentar zum Appell Dr.-Fritz-Textor-Ring

Veröffentlicht am 12.01.2015 in Ratsfraktion

Vor Erstellung des Appells zur Umbenennung des Dr.-Fritz-Textor-Rings haben sich die SPD-Mitglieder ausführlich mit dem geschichtlichen Kontext auseinander gesetzt.

Exemplarisch veröffentlichen wir an dieser Stelle die Kommentierung des SPD-Ratsmitglieds Dr. Petra Kappe sowie einen Protokollauszug, aus dem der Widerstand von Julius Bangert, Otto Hühn und anderen Sozialdemokraten gegen eine Wahl des Dr. Textor hervorgeht.

"Ich begrüße die eindeutige Stellungnahme, in deren Begründung mir allerdings der geschichtliche Bezug fehlt. Die aktuelle Diskussion über die Benennung einer Straße nach dem ersten Bürgermeister Textor ist aufgrund einer journalistischen Fehlleistung anfangs in einer Schieflage geführt worden. Die behauptete Denunziation, mit der Textor einem Berufskollegen die Zulassung zur Habilitation versperrt habe, lässt sich dem Gutachter Pfeil zufolge nicht belegen. Die entsprechende Darstellung in der Zeitung ist nicht haltbar. Das ist ein Ärgernis, aber beileibe kein Grund einfach Schwamm drüber zu sagen.

Die Fakten, auf die wir heute im Zusammenhang mit Textor zurückgreifen können, sind exakt die gleichen, auf deren Grundlage die Sozialdemokraten vor mehr als 65 Jahren gegen Textor entschieden haben: Er war Mitglied der NSDAP und der SA, er war nicht nur Mitläufer, sondern hat aktiv im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie gewirkt. Seine Reinwaschung im Entnazifizierungsverfahren war den Sozialdemokraten schon damals nicht glaubwürdig. Sie ist es umso weniger heute, da die Aufarbeitung fortgeschritten und das bis weit in die 1960er Jahre herrschende Klima der Verharmlosung und Verdrängung (keinesfalls vollständig) überwunden ist.

Das Gutachten von Pfeil bekräftigt den Wissensstand von Ende der 1940er Jahre und bestätigt die Einschätzung der sozialdemokratischen Zeitgenossen, dass Textor als Bürgermeister nicht tragbar war. Eine „Entlastung“ Textors, die durch etwaige Äußerungen von Irrtums-, Fehlereinsicht oder Reue getragen sein könnte, bietet das Pfeil-Gutachten ebensowenig wie eine überzeugende Darstellung von Verdiensten in der Nachkriegszeit, die ihm als Umkehr oder tätige Reue zugute zu halten wären.

Die aufrechte Haltung der SPD damals hat daher bis heute unverändert Bestand. Der Ratsbeschluss, die Ennepetaler Bürgermeister in Form von Straßennamen zu würdigen, fiel für eine Gruppe von Persönlichkeiten. Aus der ragte niemand hervor, und wenn wir heute auch wissen, man hätte bei Textor genauer hinsehen sollen, so bleibt doch aus dem damaligen pauschalen Vorgehen erklärlich, dass das nicht geschah. Heute aber wissen wir es besser, und deshalb wäre es unverzeihlich, den Fehler nicht zu korrigieren. Er verhöhnt die Opfer des Nazi-Regimes, setzt uns Spott und Kritik von außen aus, und er beschwert uns als Einwohner von Ennepetal. Ich halte die Umbenennung für eine Selbstverständlichkeit: In unserer Stadt soll keinem Nationalsozialisten Ehre zuteil werden."

Petra Kappe

Aus dem Protokoll der Amtsvertretung Milspe-Voerde vom 10.11.1948

Vor der Wahl des Amtsbürgermeisters von Milspe-Voerde, der späteren Stadt Ennepetal, am 10. November 1948 gab die SPD-Fraktion eine schriftlich dem Protokoll beigelegte Erklärung ab, in der es zu Dr. Textor heißt, dass

„es sich bei dem gemeinsamen Kandidaten der C.D.U. und F.D.P. um einen Mann handelt, der seiner politischen Vergangenheit wegen nicht die Voraussetzungen erfüllen kann, die die demokratische Öffentlichkeit von der ersten politischen Persönlichkeit des Amtes Milspe-Voerde verlangt und auch verlangen muss.

Der Kandidat Dr. Textor gehörte von 1933-37 der S.A., von 1937-45 der NSDAP, von 1938-45 der NSV, bis 1937 dem NS-Lehrerbund und anschließend bis 1945 dem Altherrenbund und von 1937-39 der Reichsdozentenschaft an und war während des Krieges u. a. als Kriegsverwaltungsrat in Brüssel tätig.

Diese Feststellungen sollen in keiner Weise die Ehrenhaftigkeit und die sonstigen persönlichen Qualitäten des Kandidaten Dr. Textor in Zweifel ziehen, schon deshalb nicht, weil er den Vertretern der S.P.D. von Person bisher unbekannt blieb. Lediglich die Tatsache, dass die Auch-Demokraten der C.D.U. und F.D.P. es wagen, 3 Jahre nach dem Zusammenbruch der brutalsten Gewaltherrschaft aller Zeiten einen Bürgermeister-Kandidaten zu präsentieren, der durch seine 12-jährige Mitgliedschaft in der SA und der NSDAP den Beweis dafür erbracht hat, dass ihm die politische Übersicht und der politische Weitblick fehlt, und somit auch die Voraussetzungen, die in einer Demokratie von dem 1. Repräsentaten einer Körperschaft verlangt werden müssen.“

Weil es in der Amtsvertretung Milspe-Voerde ein Patt gab (14 SPD und KPD zu 14 Stimmen CDU und FDP), wurde ein Losverfahren angewandt, in dem Otto Hühn (SPD) unterlag und Dr. Textor als erster Ziehender den Zettel mit dem Wort „Ja“ zog. Er war damit Amtsbürgermeister und wurde so automatisch bei der Gründung der Stadt Ennepetal im folgenden Jahr erster Bürgermeister der Stadt Ennepetal.